Caruana gewinnt London; Carlsen die Grand Chess Tour

Caruana gewinnt London; Carlsen die Grand Chess Tour

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| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Fabiano Caruana hat Ian Nepomniachtchi in den Playoffs besiegt und damit die London Chess Classic gewonnen. Beide Spieler hatten bis dahin 6 Punkte auf dem Konto. Magnus Carlsen, der in der letzten Runde gegen Levon Aronian gewinnen konnte wurde Gesamtsieger der Grand Chess Tour 2017.

Nepomniachtchi gab sich in der letzten Runde gegen MVL mit einem schnellen Remis zufrieden. Die Partie dauerte nur 22 Minuten und war nach 19 Zügen Geschichte. Fabiano Caruana konnte den halben Punkt Rückstand durch einen Sieg gegen Michael Adams aufholen und Wesley So besiegte Vishy Anand an dessen Geburtstag.

2017 London Chess Classic | Ergebnisse der 9. Runde

Land Name Ergebnis Land Name
Ian Nepomniachtchi ½-½ Maxime Vachier-Lagrave
Levon Aronian 0-1 Magnus Carlsen
Fabiano Caruana 1-0 Michael Adams
Viswanathan Anand 0-1 Wesley So
Sergey Karjakin ½-½ Hikaru Nakamura

"Wenn du einen halben Punkt Vorsprung hast, ist es die beste Strategie, zumindest nicht zu verlieren. Natürlich bin ich auf meine heutige Leistung nicht stolz," sagte Nepomniachtchi. "Ich glaube, das hat niemanden gefallen. Mir auch nicht."

Ian Nepomniachtchi war nach der Partie ziemlich ehrlich. Er gab mit seinem schnellen Remis den Verfechtern der Formatänderung der Grand Chess Tour Munition und nächstes Jahr wird die Tour sicherlich nicht durch ein langweiliges Remis am letzten Tag entschieden werden.

Nepo fügte noch hinzu: "Es hätte auch eine sehr lange Partie werden können, die aber dann trotzdem mit einem Remis geendet wäre und ich dachte mir, wenn Fabi gewinnt, will ich wenigstens eine längere Pause vor den Playoffs haben. Das ist zwar vielleicht nicht die Strategie, mit der man einen Schönheitspreis gewinnt, aber eine andere Strategie hatte ich nicht."

Ian Nepomniachtchi, London 2017

Nepomniachtchi: "Vielleicht nicht die Strategie, mit der man einen Schönheitspreis gewinnt, aber eine andere Strategie hatte ich nicht." | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Maxime Vachier-Lagrave, der mit Schwarz spielte, wurden weniger Vorwürfe gemacht, aber er hat sich trotzdem verteidigt. "Erstens war ich mir nicht sicher mit welchen Absichten Ian in die Partie gegangen war," sagte er. "Fabiano konnte ihn ja noch einholen... deshalb wusste ich nicht, ob er auf Sieg oder Remis spielen würde."

"Und das ist das Problem meines beschränkten Repertoires: Ich hätte ein Ungleichgewicht schaffen können, aber das war nicht so leicht. Wenn ich zum Beispiel Königsindisch gespielt hätte, nach ...e5 kann er dxe5 spielen, die Damen tauschen und dann hat er ein leichtes Remis.

"Ich dachte, ich sollte einfach das Spielen, was ich am besten kenne und wenn er dann ein Remis erzwingt, dann ist es einfach Pech. Es gibt da kein einfaches Rezept."

Vachier-Lagrave vs Nepomniachtchi, London 2017

Nachdem das Ergebnis der ersten Partie feststand, waren noch einige Szenarien möglich und wurden auf dem offiziellen Twitter Feed veröffentlicht:

Die nächste Partie, die beendet wurde, hatte wenig Einfluss auf das Gesamtergebnis. Nach 8 Remis in Serie beendete Wesley So das Turnier mit einem Sieg über Vishy Anand. Die indische Schachlegende, die gestern ebenfalls ihren 48. Geburtstag feierte, schienen auf der Zielgeraden die Kräfte auszugehen.

Schwarz kam gut aus der italienischen Eröffnung und überspielte danach langsam aber sicher seinen Gegner. Im letzten Jahr konnte Wesley So schon Nakamura an dessen Geburtstag besiegen und in diesem Jahr schaffte er dasselbe gegen Anand.

"Es gibt bessere Möglichkeiten, seinen Geburtstag zu feiern, als mit einer Schachpartie."

Anand brach dann überraschend schnell zusammen und der Inder hatte danach auch keine Lust mehr auf ein Interview mit Ashley und erledigte stattdessen seine Weihnachtseinkäufe.


Jetzt waren alle Augen auf Magnus Carlsen gerichtet. Wie hatte er sich von seiner Niederlage erholt. Tja... anfangs nicht besonders gut.

Levon Aronian erreichte nach einer Englischen Eröffnung ein vielversprechendes Endspiel, in dem das weiße Läuferpaar die schwarzen Zentralbauern auf dem Korn hatte. Als die Zeitkontrolle näher rückte, entschied sich Aronian für einen kreativen Angriff (ich dachte, ich müsste den Todesstoß sofort anbringen - Aronian) der seinen Gegner dazu zwang, schwierige Verteidigungszüge zu finden.

Carlsen fand sie, übernahm die Kontrolle und entschied die Grand Chess Tour zu seinen Gunsten.

Magnus Carlsen vs Levon Aronian, London 2017

Carlsen erlebte abermals Höhen und Tiefen. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Ich übersah einige Züge und dann... ich weiß nicht, was dann mit mir passiert ist," sagte Aronian, der lange Zeit dachte, dass er nicht schlechter stehen würde. "Es war eine dumme Entscheidung, nicht auf d6 zu nehmen. Ärgerlich."

Carlsen: "Ich dachte eigentlich, dass ich die Partie gewinnen müsste. Ich habe mir die Tabelle nicht genau angesehen, aber vom Gefühl her, musste ich gewinnen. Und dann fand ich kurz vor der Partie heraus, dass mir unter Umständen auch ein Remis reichen würde, aber da wollte ich meine Einstellung nicht mehr ändern. Ich wolle einen Kampf haben und den habe ich bekommen. Und er war auch froh darüber."

Beide Spieler vermieden die Hauptvarianten. "Dann bin ich total vom Weg abgekommen," sagte Carlsen. "13...Bd6 war einfach nur schrecklich. Ich habe seinen Plan mit Sc3 und a4 überhaupt nicht erkannt. Und dann stehe ich einfach nur besch...eiden."

Magnus Carlsen, London 2017

Carlsen stand am Rande einer Niederlage. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Er war wahrscheinlich ziemlich frustriert, dass er den Sieg weggeworfen hatte und so übersah er den Zeitpunkt auf Remis zu spielen, als er auf Remis spielen hätte sollen. Das war mein großes Glück in dieser Partie"

Carlsen bemerkte noch, dass er das ganze Turnier über keine Energie hatte. "Mein Spiel ist momentan wirklich schrecklich. Ich habe keine Energie, kein Selbstvertrauen, einfach garnichts," sagte er zu Chess.com.

Dejan Bojkov, Game of the Day

Carlsen dachte aber nicht, dass seine Erkältung bei diesem Turnier eine wichtige Rolle gespielt hatte. "Ich habe auch schon früher mit Erkältungen gut gespielt. Das Problem war, dass ich das ganze Turnier über keine Energie hatte. Das war der Hauptfaktor."

Magnus Carlsen Wins Grand Chess Tour

Carlsen mit dem Grand Chess Tour Pokal. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Die meisten Partien habe ich eigentlich nur Zug für Zug gespielt. Ich hatte weder Pläne noch Ideen. Da war einfach nichts."

"Ich glaube, ich muss für Turniere im Winter einfach bessere Vorsichtsmaßnahmen treffen. Man wird schneller müde, wenn es draußen dunkel wird und dann hat man keine Energie mehr um zu spielen."


Chess.com's Interview mit einem sehr müden Carlsen.

Am Ende hatte Fabiano Caruana geschafft, was er schaffen musste. Obwohl er gegen Michael Adams ein "irisches Bauernzentrum" bekam, erlangte Caruana, nachdem Adams mit 32...Td5 auf Gewinn spielen wollte, einen Vorteil. "Irgendwann hätte ich mich sogar mit einem Remis zufriedengegeben. Ich habe nur noch die Züge wiederholt," sagte Caruana.

37.Tf3 war ein wunderschöner Zug, mit dem Weiß in ein Endspiel mit einem Mehrbauern überleiten konnte. Vielleicht hätte Adams dieses Endspiel etwas besser verteidigen können, aber am Ende fuhr Caruana den Sieg nach Hause.

Fabiano Caruana vs Michael Adams, London 2017

Beim Verlassen der Bühne warf Carlsen noch einen flüchtigen Blick auf die Partie Caruana-Adams. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Vor dem Start des Tiebreaks wurde Carlsen für seinen Gesamtsieg bei der Grand Chess Tour geehrt. Der Champion hatte seine Energie wiedererlangt und lobte das Event, das voller Dramen gewesen war. Er merkte auch an, dass MVL's Gewinn des Sinquefield Cups absolut verdient war.

Es war auch toll zu hören, dass Carlsen seine Teilnahme an der nächstjährigen Tour nicht ausschloss, obwohl er im November seinen Weltmeistertitel verteidigen muss und dass er auch seinen so typischen Humor wiedergefunden hatte. Er dankte allen anwesenden, "auch denen, die mich nicht leiden können."

2017 London Chess Classic | Playoff Ergebnis

Land Name P1 P2 P3 P4 Ergebnis
Fabiano Caruana ½ ½ ½ 1
Ian Nepomniachtchi ½ ½ ½ 0


Das Playoff begann mit 2 Partien mit 10 Minuten Bedenkzeit und 5 Sekunden Verzögerung. Beide dieser Partien endeten Remis. Die erste Partie mit 5 Minuten und 3 Sekunden Verzögerung sah es schon nach einem Sieg für Caruana aus, denn Nepomniachtchi stellte bereits in der Eröffnung einen Bauern ein. Der Amerikaner spielte aber dann zu langsam und lies seinen Gegner mit einem Remis entkommen.

Caruana - Nepomniachtchi, London 2017 playoff tiebreak

Nepomniachtchi schaffte ein Remis, obwohl er in der Eröffnung einen Bauern eingestellt hatte. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Ich glaube, ich habe mich selbst zu sehr unter Druck gesetzt," sagte ein enttäuschter Caruana nach dieser Partie. "Er leistete aber auch glänzenden Widerstand. Er bereitete mir fortlaufend Probleme und spielte sehr schnell. Dann wurde meine Bedenkzeit bedrohlich knapp und das wars dann auch schon. Ich bin aber nicht allzu sehr enttäuscht. Nach 6 Stunden bin ich viel zu erschöpft, um noch großartigen Druck zu verspüren und das ist vielleicht gar nicht so schlecht."

Caruana entspannte sich dann in der VIP-Lounge, indem er Lawrence Trent dabei zusah, wie dieser mit 3 Minuten auf der Uhr gegen MVL mit einer Minute blitzte. So kann man eine 30-minütige Pause also auch verbringen.

Vachier-Lagrave vs Trent, London

MVL gegen Trent. Tania Sachdev, Caruana und seine Freundin sehen zu. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die zweite Blitzpartie war dann wirklich verrückt. Der schwarze König rannte bis nach d4. Weiß hatte zwar eine Gewinnstellung, aber da beide Spieler nur noch wenige Sekunden auf der Uhr hatten, war es alles andere als leicht, den Gewinn zu realisieren. Ein Abzugsschach im 66. Zug war dann der Todesstoß für Nepo.

Fabiano Caruana

Fabiano Caruana. Der Sieger der London Chess Classics 2017. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Caruana gewann damit sein erstes Superturnier seit Dortmund 2015 und sein erstes Superturnier bei dem auch Carlsen am Start war, seit seinem legendären Sieg des Sinquefield Cups 2014. Ferner war es sein erster Sieg in London und das verschaffte ihm eine, wie er sagte, "große Freude".

Wie wird er den Sieg Feiern? "Ich werde heute Abend einfach ausgehen. Ich habe ja noch gar keine Chance gehabt London zu sehen," sagte Caruana zu Chess.com.

Ein Interview mit Caruana folgt noch in Kürze.

Die beiden Kontrahenten spielten in den Playoffs aber nicht nur um den Siegerpokal. Sie teilen sich auch das Preisgeld, was bedeutet, dass jeder $62,500 gewonnen hat. Mit $245,427 hat Magnus Carlsen das meiste Preisgeld in diesem Jahr gewonnen. Nur Vachier-Lagrave konnte ebenfalls die $200,000 Marke überschreiten. Dritter in der Preisgeld-Rangliste 2017 ist Nepomniachtchi.

2017 London Chess Classic Final Standings

2017 Grand Chess Tour Final Standings

Das Turnier, bei dem die ersten 19 Partien mit einem Remis endeten bevor es in der vierten Runde zum ersten Sieg kam, schloß schließlich nur ein Spieler mit 9 Remis ab: Hikaru Nakamura.


Weitere Artikel über die London Chess Classics (alle nur auf Englisch):

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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